Lehre

Exkursion nach Kamerun

Reisebericht

(Fotos finden Sie unter den entsprechenden Links)

Anreise

Nach fast zweijähriger intensiver Vorbereitung der Exkursion nach Kamerun durch das Organisationsteam, Frau Prof. Dr. Kerstin Störl (Exkursionsleiterin), Herrn David William Jean François Wolfgang Burmeister und Frau Michèle Otélé, war es endlich soweit. Am 18. Februar 2008 flogen wir mit Brussels Airlines über Brüssel nach Douala, der größten Handelsmetropole des westafrikanischen Staates. Nach einer Übernachtung im Sawa-Hotel Douala ging es am nächsten Morgen weiter mit dem Bus nach Yaoundé, der Hauptstadt der Republik Kamerun.

Aufenthalt in Yaoundé

Die Universität Yaoundé I war unser erster Anlaufpunkt, da zwischen ihr und der Technischen Universität Berlin (Prof. Dr. Kerstin Störl) bereits seit längerer Zeit wissenschaftliche Kooperationsbeziehungen bestehen. Unsere Kooperationspartner sind Prof. Dr. Edmond Biloa, Direktor des Département de Langues Africaines et Linguistique, und Prof. Dr. Georges Echu, Département d’Études Bilingues. Weitere Kontakte bestehen zu den Universitäten Dschang und Buea. Die Exkursionsteilnehmer(innen), Studierende fünf verschiedener Universitäten Deutschlands, nahmen sogleich Kontakt zu den Studierenden der Universität Yaoundé auf.

Am 20.2.2008 fand unsere erste offizielle Veranstaltung in der Universität Yaoundé I statt. Der Vizedekan der Faculté des Arts, Lettres et Sciences Humaines begrüßte uns sehr herzlich und erläuterte uns die Struktur der Universität sowie der Fakultät, die eine große Vielfalt an Instituten und Fachgebieten aufzuweisen hat. Im Anschluß daran hörten wir zwei Vorlesungen, die einen sehr guten Einblick in die Thematik der Varietäten des Französischen und die Sprachsituation in Kamerun gaben. Prof. Dr. Georges Echu vom Département d’Études Bilingues sprach zum Thema "Bilinguisme officiel et cohabitation du francais et de l’anglais au Cameroun" und Prof. Dr. Edmond Biloa, der Leiter des Département de Langues Africaines et Linguistique hielt eine Vorlesung über "Les multiples facettes du français au Cameroun". Anschließend gab es Gelegenheit für Gespräche mit den Kollegen und Studenten der Universität Yaoundé I. Durch diese ersten Kontakte hatten die Studierenden die Möglichkeit, Interviewpartner und Informanten für ihre Fragebogenuntersuchungen zu finden sowie Informationen über die Universität und Recherchemöglichkeiten zu erhalten.

Am 21.2.2008 besuchten wir verschiedene Départements der Universität Yaoundé I und stellten Kontakte zu Kollegen und Studierenden her. Im Département de Français begrüßten uns Herr Prof. Dr. Paul Zang Zang, Professor für Linguistik, Frau Dr. Mathilde Zoa, Literaturwissenschaftlerin sowie Herr Dr. Raymond Mbassi Atèba. Im Département d’Études Germaniques bestand ein reges Interesse am Austausch mit den Exkursionsteilnehmer(innen), da die Studenten dort Deutsch studieren. Wir hatten unter anderem Gespräche mit Frau Emma Nathalie Sonfack Tcheazeing, der Präsidentin des Cercle des Germanistes und Frau Dr. Philomène Atyame, Spezialistin für Deutsche Literatur und Schriftstellerin.

Eine Führung in der Zentralbibliothek der Universität Yaoundé I vermittelte den Studierenden Einblicke in die Verfügbarkeit von Literatur und Hinweise für das selbständige Arbeiten in den nächsten Tagen während unseres Aufenthaltes in Yaoundé. Wichtige Informationen erhielten wir auch bei der Besichtigung des Recherchezentrums der Universität Yaoundé I.

Ein Besuch im Centre Culturel Français am 21.2.2008 gab uns einen Überblick über die Arbeit dieser für die Frankophonieforschung bedeutsamen Einrichtung. Zunächst fand eine Führung statt, anschließend hatten die Teilnehmer(innen) Gelegenheit, die Bibliothek zu benutzen.

An den folgenden Tagen arbeiteten die Studierenden selbständig an ihren Themen, sammelten Material, führten Interviews durch und verteilten Fragebögen. Sie hatten dabei die volle Unterstützung der Kollegen und Studierenden der Universität Yaoundé I.

Aber wir hatten nicht nur Kontakt zu den Instituten der Universität sowie weiteren Forschungseinrichtungen, sondern informierten uns auch über das Leben in Kamerun und über die verschiedenen Kulturen und Sprachen. Sehr hilfreich waren dabei die Besuche bei kamerunischen Familien. Zunächst zeigte uns ein Student der Universität Yaoundé I die Unterkünfte der Studierenden auf dem Campus und lud uns in seine Wohnung ein. Wir erhielten interessante Einblicke in das kamerunische Studentenleben. Sehr herzlich begrüßten uns die Familien zweier Exkursionsteilnehmerinnen, die aus Kamerun stammen: die Eltern von Michèle Otélé (22.2.2008) und der Onkel von Gillian Epie Dione sowie seine Familie (23.2.2008). Am Abend des 23.2.2008 lud Herr Prof. Dr. Edmond Biloa alle Exkursionsteilnehmer(innen) sowie einige Student(inn)en der Unversität Yaoundé I zu einem Empfang ein. Das war eine weitere sehr gute Gelegenheit ins Gespräch zu kommen.

Ausbruch der politischen Krise in Kamerun

Am 24.2.2008 brachen wir wie geplant zum Bamiléké-Gebiet auf. Nach etwa sechstündiger Busfahrt bezogen wir unser Quartier im Centre Climatique de Bandjoun, drei Kilometer entfernt von Bafoussam. Im Gegensatz zur Großstadtatmosphäre mit ihrem lauten, bunten Treiben und der beständig staubigen Luft, die der Harmattan aus der Sahara hergeweht hatte, empfanden wir die klare frische Luft dieser Gebirgsregion als ausgesprochen angenehm. Hier wollten wir unsere Feldforschungen betreiben, um die zum Teil noch traditionell lebenden Bamiléké-Kulturen und ihre Sprachen kennen zu lernen, um ihre Interferenzen mit dem Französischen festzustellen, den Widerspruch zwischen Oralität und Skriptoralität zu untersuchen und vieles mehr. Doch es kam leider anders.

Es begann mit einem Streik der Taxifahrer in Douala auf Grund der Erhöhung der Benzinpreise am 25.2.2008. Binnen kürzester Frist eskalierte die Situation und weitete sich zu einer landesweiten Krise aus. In Douala und Yaoundé sowie in anderen Städten der Provinzen West, Nordwest und Südwest herrschte zwischen 25. und 29.2.2008 der Ausnahmezustand. Schwere Unruhen und blutige Gewalt haben über 100 Tote gefordert. Gebäude und Autos gingen in Flammen auf. Das Erschreckendste: es waren vorwiegend Kinder und Jugendliche, die sich an der Revolte beteiligten. Sie richtete sich vor allem gegen das Ansinnen des seit 1982 regierenden Präsidenten Paul Biya, die Verfassung zu ändern, damit er bei den nächten Wahlen 2011 erneut kandidieren kann.

In der Stadt Bafoussam war von Dienstag bis Freitag der Verkehr lahmgelegt. Es war unmöglich, von einer Stadt in die andere zu gelangen. Wer es privat versuchte, riskierte, angegriffen zu werden. Die, die im Land unterwegs waren, saßen fest. Unsere Exkursiongruppe befand sich zu diesem Zeitpunkt im Centre Climatique de Bandjoun (Nähe Bafoussam), umgeben von einer dicken Mauer und einem Eisentor, einem Ort relativer Sicherheit. Auf Anraten der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland durften wir diesen Ort nicht verlassen. Die Kollegen der Universität Dschang hatten uns bereits am ersten Tag der Krise signalisiert, dass sie nicht zu uns kommen können. Auch wir konnten nicht nach Dschang fahren, so dass ein Treffen leider nicht zustande kam.

Die Straßen waren leer, die Geschäfte geschlossen. Wer keine Lebensmittelvorräte zu Hause hatte, hatte ein Problem. Läden, die sich weigerten zu schließen, wurden zerschlagen. Im Hotel gab es noch reichlich Essen, aber zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde das Trinkwasser knapp. Ein weiteres Problem: man konnte keine Telefonkarten besorgen, die einzige und enorm wichtige Verbindung nach außen. Über das Telefon, die Fernsehnachrichten sowie eine Touristin, die aus Bafoussam evakuiert und zu uns gebrachte wurde, konnten wir uns über die Lage informieren. Wir erfuhren von brennenden Autos und Häusern in Bafoussam, von Toten in Bandjoun und Tränengas in Buea. Vor unserer Tür gab es Menschenansammlungen und Strassenbarrikaden, die angezündet wurden. Nachts erschreckte uns nicht selten ein beißender Brandgeruch, Aschereste wurden bis zu uns herübergeweht. Menschen schrien, Schüsse fielen.

Die Exkursionsteilnehmer(innen) sahen der schwierigen Lage gefasst entgegen. Sie passten ihre Arbeitsmethoden den gegebenen Umständen an, um ihre Forschungsarbeiten, teils in modifizierter Form, weiterzuführen. Herr David William Burmeister erklärte sich spontan bereit, einen zusätzlichen Beitrag zur aktuellen Lage zu verfassen. Das Organisationsteam arbeitete auf Hochtouren, da es teilweise stündlich neue Informationen gab, auf die reagiert werden musste.

Auf Grund der politischen Krise in Kamerun war es wie erwähnt zu gefährlich, aus dem Centre Climatique de Bandjoun hinauszugehen. Die geplanten Feldforschungen im Bamiléké-Gebiet konnten deshalb nicht mehr weitergeführt werden. Trotz der schwierigen Lage fanden die Exkursionsteilnehmer(innen) kreative Lösungen, um die Arbeit fortzusetzen. Sie nutzten zunächst sehr intensiv die Sprechstunden bei Prof. Dr. Kerstin Störl, um die Modifikation ihrer Themen zu besprechen und um ihre Forschungsmethoden der prekären Situation anzupassen (26.2.2008). Da wir das Centre Climatique de Bandjoun nicht verlassen durften, nutzten die Teilnehmer(innen) die Gelegenheit, das Hotelpersonal um Interviews und das Ausfüllen von Fragebögen zu bitten. Statt zu den Informanten zu gehen, baten wir sie zu uns herein: die Schneiderin von nebenan, die Bewohner der umliegenden Häuser. Für die Teilnehmerinnen, die zum Thema Musik und Tanz in der Bamiléké-Region arbeiten, erklärte sich ein Mitabeiter der Hotelküche bereit, traditionelle Tänze vorzuführen.

Der geplante Besuch einer kamerunischen Schule, speziell für die Lehramtskandidat(inn)en und die mit einem erziehungswissenschaftlichen Thema befassten Exkursionsteilnehmer(inn)en wurde durch den Ausbruch der Krise verhindert. Die Schulen waren derzeit geschlossen. Einige Teilnehmerinnen versuchten trotzdem, in der Nähe des Centre Climatique de Bandjoun, in der dörflichen Gemeinde abseits der Gefahren der Strasse, eine Schule, Schüler oder Lehrpersonal zu finden (27.2.2008). Leider gelang das zwar nicht, aber der Weg offenbarte uns wichtige Einblicke in das dörfliche Leben und brachte uns ins Gespräch mit Erwachsenen und Kindern der Koung-Khi-Region, in der sowohl Französisch als auch Bandjoun gesprochen wird.

Abreise unter militärischem Schutz

Lange hatten wir im Centre Climatique de Bandjoun ausharren müssen, als wir plötzlich von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland informiert wurden, daß sich ein Konvoi mit militärischer Eskorte in Richtung Yaoundé bewegt. Da uns kein Auto zur Verfügung stand, setzte sich die Französische Botschaft sowie das französische und kamerunische Militär dafür ein, dass wir mitgenommen wurden. Die Gruppe verteilte sich auf mehrere Fahrzeuge. Allen Helfern, aber speziell Colonel Antoine, gilt unserer besonderer Dank, uns aus dieser schwierigen Lage befreit und uns sicher in die Hauptstadt Yaoundé gebracht zu haben. Überreste von den Strassenbarrikaden, die uns unterwegs begegnet sind, sowie ausgebrannte Autos vergegenwärtigten uns die prekäre Lage im Lande.

Auf Anraten des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Volker Seitz, verließen wir Kamerun am 5.3.2008. Unsere Kooperationspartner, Herr Prof. Dr. Edmond Biloa und Herr Prof. Dr. Georges Echu von der Universität Yaoundé I, begleiteten die Gruppe zum Abschied bis zum Flughafen.

Traurig, weil wir viele Teile dieses wundervollen Landes nicht sehen konnten, aber doch zuversichtlich, weil die geknüpften Kontakte nicht abreißen werden, verlassen wir Kamerun. Wir haben Erfahrungen gemacht, die wir nicht erwartet hatten, aber es waren Erfahrungen für das Leben, die wir nicht vergessen werden. Unsere Forschungsprojekte werden – teils in modifizierter Form – weitergeführt und münden in einem gemeinsamen Sammelband, der nicht zuletzt geprägt sein wird von den Erlebnissen der letzten Tage. Viele waren sich einig: wir würden gern einmal wiederkommen. Das Interesse an Kamerun und seinen vielfältigen Sprachen und Kulturen ist geweckt, wir werden uns um so intensiver wissenschaftlich mit ihnen beschäftigen, unsere Kooperationsbeziehungen ausbauen und vielleicht wird der Wunsch, Kamerun wieder zu sehen, irgendwann einmal realisierbar.

Dank

Mein besonderer Dank gilt allen, die am Gelingen der Exkursion beteiligt waren, und auch denen, die sich während der Krise um unsere Sicherheit bemüht haben.

In erster Linie möchte ich meine beiden Mitarbeiter(innen) und Leitungsmitglieder der Arbeitsgruppe Kamerun erwähnen, die bereits viele Monate vor der Reise und auch während der Exkursion unermüdlich im Einsatz waren: Herrn David William Jean François Wolfgang Burmeister, der sich speziell um die Finanzierung, Korrespondenz und Organisation gekümmert hat, sowie Frau Michèle Otélé, die verantwortlich war für die örtlichen Gegebenheiten in Kamerun sowie die Organisation von Unterkünften und Transportmitteln.

Ein ebenso herzlicher Dank gilt unseren Kooperationspartnern von der Universität Yaoundé I, Herrn Prof. Dr. Edmond Biloa und Herrn Prof. Dr. Georges Echu, mit denen die Technische Universität Berlin bereits längerfristige Kontakte hat. Ihre beiden Vorlesungen waren ein wirklicher Erkenntnisgewinn für alle Teilnehmer und ein guter Beginn für intensivere Recherchen und Kontakte. Mit Ihrer Hilfe lernten wir zahlreiche weitere Kollegen und Studierende der Universität Yaoundé I kennen, bekamen einen Überblick über die Struktur der Universität und lernten Forschungsmöglichkeiten kennen.

Mein weiterer Dank gilt dem Dekan der Faculté des Arts, Lettres et Sciences Humaines für seine Grußworte sowie die Möglichkeit, dass wir in dieser Fakultät Vorlesungen hören, forschen und wissenschaftliche Kontakte knüpfen konnten. Auch den Kollegen des Département d’Études Bilingues, des Département de Langues Africaines et Linguistique, des Département de Français, des Département d’Études Germaniques sowie allen Studierenden ein herzlicher Dank!

Den Kollegen der Universitäten Dschang und Buea bringe ich mein Bedauern zum Ausdruck, dass es auf Grund der Krise nicht zu einem Treffen kommen konnte, versichere aber, dass ich mich um die Vertiefung der wissenschaftlichen Kontakte bemühen werde.

Von ganzem Herzen danke ich Colonel Antoine, der französischen Botschaft sowie dem französischen und kamerunischen Militär, die sich für unseren sicheren Transport von Bandjoun nach Yaoundé eingesetzt haben. Dank natürlich auch allen Menschen, die uns Plätze in ihren Autos zur Verfügung stellten.

Nicht zuletzt gilt mein herzlicher Dank allen Exkursionsteilnehmern für ihre konstruktive Mitarbeit, Ihr Einfühlungsvermögen, ihre Toleranz und ihr Engagement.

Prof. Dr. Kerstin Störl, 11. März 2008